Ungedeckte vs. gedeckte Leerverkäufe

Leerverkäufe, die auch mit dem englischen Begriff als “short selling” oder kurz als “Shorts” bezeichnet werden, sind eine Strategie, die gerade von Großanlegern wie Banken und Hedgefonds genutzt wird. Sie wollen damit auf der Grundlage von erwarteten Kursrückgängen eine Rendite erzielen. Leerverkäufe können allerdings nicht nur für Spekulationszwecke, sondern auch zur Absicherung vorgenommen werden.

Das Besondere an einem Leerverkauf liegt in der Tatsache, dass der Verkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufs kein Eigentum an den von ihm verkauften Waren oder Finanzprodukten besitzt. Das bedeutet, dass der Verkauf “leer” erfolgt. Die Rechtfertigung dieser Leerverkäufe lautet in der Regel, dass Kurse sowohl steigen als auch fallen können. Das bedeutet, dass man als Anleger die Möglichkeit haben sollte, sowohl von steigenden als auch von fallenden Kursen zu profitieren. Allgemein werden zwei verschiedene Arten von Leerverkäufen unterschieden: gedeckte Leerverkäufe und ungedeckte Leerverkäufe.

Charakteristiken von gedeckten Leerverkäufen

Anhand eines Beispiels, in dem Leerverkäufe zum Zwecke der Spekulation verwendet werden, lassen sich die Eigenschaften dieser Strategie sehr leicht erläutern. In diesem Beispiel sieht ein Hedgefonds fallende Kurse bei deutschen Autoaktien voraus und will von diesen Kursverlusten profitieren. Allerdings besitzt der Fonds solche Papiere aktuell nicht. Bei einem gedeckten Leerverkauf leiht sich der Hedgefonds für einen gewissen Zeitraum die entsprechenden Aktien von anderen Großanlegern wie etwa Investmentfonds oder Versicherungen aus. Dafür verlangen diese eine gewisse Gebühr.

Für Großanleger ist das Verleihen von Aktienpaketen ein relativ lukratives Nebengeschäft. Sie erhalten eine Rendite für Papiere, die sich ohnehin in ihrem Depot befinden. Für den Hedgefonds ist es nun möglich, die geliehenen Wertpapiere zu verkaufen. Falls der Kurs der Aktien deutlich fällt, kann der Fonds diese Papiere dann zu einem niedrigeren Kurs zurückkaufen, anschließend werden sie dann an den Verleiher zurückgegeben. Wenn der Aktienkurs wie erwartet fällt, erzielt der Hedgefonds also einen Gewinn. Steigt der Aktienkurs hingegen im Laufe des Leihgeschäfts, muss der Hedgefonds einen Verlust verzeichnen. Somit wird deutlich, dass Leerverkäufe auf keinen Fall ohne Risiko sind.

Charakteristiken von ungedeckten Leerverkäufen

Die sogenannten ungedeckten Leerverkäufe sind eine riskantere und vor allem deutlich umstrittenere Version dieser Strategie am Finanzmarkt. In diesem Fall leiht sich der Verkäufer gar nicht erst Aktien. Stattdessen verkauft er Aktien, die sich überhaupt nicht in seinem Besitz befinden. Das bedeutet, dass die Gebühr für das Ausleihen der Papiere umgangen wird. Auf diese Weise ist es möglich, dass bei ungedeckten Leerverkäufen eine besonders große Anzahl an Devisen, Aktien oder anderen Wertpapieren verkauft werden kann. Auf diese Weise kann es zu starken Kurseinbrüchen kommen.

Der Verkäufer muss in diesem Fall jedoch darauf achten, dass er die zuvor verkauften Papiere rechtzeitig vor dem Ablaufzeitpunkt zurückkauft. Das ist nötig, um dem Käufer die Papiere tatsächlich liefern zu können.

Während fast in der gesamten Finanzbranche gedeckte Leerverkäufe einhellig nicht nur als notwendiges, sondern auch als sehr sinnvolles Instrument angesehen werden, sind die Ansichten zu ungedeckten Leerverkäufen längst nicht so eindeutig. Selbst einige Investmentbanken sehen ungedeckte Leerverkäufe als zu riskant für ihr Geschäft an. Andererseits haben Branchenverbände in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass es ohne Leerverkäufe nicht möglich wäre, funktionierende Märkte für Kreditausfallderivate (CDS) auf Anleihen zu betreiben.

Da die meisten derartigen Geschäfte an den wichtigen Handelsplätzen in New York und London getätigt werden, ist eine Regulierung von Leerverkäufen auf nationaler Ebene allerdings weitgehend sinnlos. Zum einen hätten solche Regelungen nur einen relativ begrenzten Einfluss auf den Markt, zum anderen gäbe es für die Händler immer noch die Möglichkeit, in andere Länder auszuweichen. Trotz relativ großer Anstrengungen vieler Regierungen gibt es aus diesem Grund bis heute keine international einheitlichen Regelungen zum Thema Leerverkäufe. Das gilt sowohl für gedeckte als auch für ungedeckte Leerverkäufe.